Frauen (ge)brauchen Sprache
Sprache ist die Basis allen Denkens und aller Identität. Der Bildungsplan für Deutsch in Baden-Württemberg beschreibt Sprache gleich im ersten Satz als Schlüssel zur Welt. Sie wirkt auf die Persönlichkeit ein und geht gleichzeitig auch von dieser aus und bildet somit den Ausdruck von Identität.
Identitätsbildung von Frauen und von Mädchen – ein hochaktuelles und sehr bedeutendes Thema an unserer Schule, gerade als Mädchengymnasium.
So befassen sich Schülerinnen der Klasse 10 im Rahmen des Deutschunterrichts mit dem Thema „Frauen und Sprache“. Hierfür sichten sie unterschiedliche Quellen, Texte und Medien, die sich mit dem Thema Frauen und Sprache sowie Literatur auseinandersetzen.
Hochmotiviert und mit großem Einsatz nutzen die Schülerinnen ihre Stimme, (ge)brauchen Sprache und verfassen wahlweise einen Kommentar für die Homepage oder eine Rede für den Tag der offenen Tür. Sie beleuchten die derzeitige Situation für Frauen im Kontext von Sprache, hinterfragen kritisch und nehmen zur Untermauerung ihrer Argumentation auf vielseitige Quellen Bezug.
Mädchen des St. Dominikus-Mädchengymnasiums erheben ihre Stimmen:
von Shuiyem T.
Sprache (ge)braucht Frauen
Sprache kann die Welt verändern
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
– Ludwig Wittgenstein
In diesem Zitat klingt bereits die Wichtigkeit von Sprache an. Es ist faszinierend zu erkennen, wie sehr Sprache die Wahrnehmung und das Verständnis der Welt beeinflusst. Es ist ein Fakt, dass Frauen heutzutage immer noch gesellschaftlich benachteiligt sind. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
Ich wage es, die These aufzustellen: Die Macht der Sprache ist eng mit der gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen verbunden.
Um die Zusammenhänge der beiden Aspekte zu verstehen, müssen zunächst beide einzeln betrachtet werden. Beginnen wir mit der gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen.
In ihrem Poetry Slam „Schweigepflicht“ greift Paulina Behrendt dieses Thema auf. Sie macht deutlich, dass wir immer noch in einem System, in dem patriarchale Strukturen die vorherrschenden sind, leben. Frauen werden im Alltag auf ihr Äußeres reduziert. Sie werden auf der Straße angesprochen, beleidigt, sie werden sexuell belästigt und verfolgt. Wenn sie dies ansprechen, wird gefragt, was sie anhatten, oder es fallen Kommentare wie: So wie du dich kleidest, ist das ja kein Wunder. Frauen werden oft nicht ernst genommen und ihre Aussagen gehen zu oft unter. Die Influencerin @annarative beschäftigt sich mit demselben Thema und stellt klar: Die Art und Weise, wie sich eine Frau kleidet, ist nicht Grund für den Übergriff.
„Wenn du denkst, dass die Kleidung einer Frau eine Rolle spielt, wenn sie Übergriffe erlebt, dann denkst du wie ein Vergewaltiger“
Aber nicht nur im Alltag werden Frauen benachteiligt. Behrendt stellt klar, auch im Beruf gibt es immer noch viele Nachteile, mit denen Frauen zurechtkommen müssen. Frauen werden im Durchschnitt im gleichen Job niedriger bezahlt als Männer. Obwohl sie dieselben Tätigkeiten ausführen. Auch in Führungspositionen sind Frauen stark unterrepräsentiert. Frauen haben es schwerer solche Positionen zu erreichen, da dies gesellschaftlich nicht von ihnen erwartet wird. Das Bild der Frau als Mutter und Hausfrau ist in der Gesellschaft immer noch sehr präsent. All diese Fakten, und es gibt noch viele mehr, zeigen deutlich, dass Frauen im Vergleich zu Männern auch heute immer noch viele Nachteile haben.
Kommen wir nun zur Macht von Sprache. Eine Frage, die Hand in Hand mit diesem Thema geht, ist: Was kann Sprache? Bzw. was kann Literatur? Mit dieser Frage befasst sich auch David Grossman in seinem Artikel „Literatur und Politik: Gegen die Masse“.
Gute Literatur teilt menschliches Verständnis, menschliche Intuition und menschliche Erfahrungen.
Gute Literatur bringt uns wieder mit der, in unserer heutigen Welt fast verlorengegangenen, Wahrheit in Berührung.
Gute Literatur lehrt uns etwas über zwischenmenschliche Beziehungen, ewig gültige ethische Entscheidungen und authentische Emotionen.
Gute Literatur informiert über psychologische, soziale, persönliche und nationale Prozesse.
Gute Literatur lässt die Leserschaft Empfindungen verspüren, die schwer in Worte zu fassen sind. Einsamkeit, Glück, Grauen, Wunder, Zugehörigkeit, Erbarmen, …
Gute Literatur weckt in der Leserschaft den Wunsch nach Verständnis für die Protagonisten.
„Literatur schenkt uns Einsichten und Empfindungen.“
Ähnlicher Meinung ist auch Kübra Gümüsay. Sie schreibt in „Die Lücke ist Politisch“, Literatur schaffe es uns zu fesseln: „körperlich noch anwesend […] aber im Geiste an Orten, die es vielleicht nie gab, in den Leben und den Köpfen fremder Menschen, mit denen wir leiden und uns freuen“
Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Sprache bzw. Literatur hat eine gewisse Macht. Sie hat viel Potential und kann viel Gutes bewirken. Wie groß diese Macht ist, wird einem jedoch vor allem bewusst, wenn man einsieht, dass Sprache Lücken hat. In „Die Lücke ist Politisch“ beschäftigt sich Kübra Gümüsay in Ihrem Sachbuch „Sprache und Sein“ mit der Lücke von Sprache und deren Gefahren: Wenn die Sprache nicht ausreicht, wenn Dinge nicht benannt werden können, träten Lücken zum Vorschein.
„Die Ohnmacht, die eine solche linguistische Lücke hinterlässt, ist immens“, so Gümüsay.
Miranda Fricker, eine britische Wissenschaftlerin, zeigt am Beispiel sexueller Belästigung welche Folgen Missstände, die nicht benannt werden können, haben können. Der Begriff „sexuelle Belästigung“ ist in den 1960er Jahren in den USA nur wenigen Menschen bekannt und es ist nicht klar, was dieser bedeutet. So konnte beispielsweise eine sexuelle Belästigung von einem Chef am Arbeitsplatz nicht als diese betitelt werden. Sie konnte sogar fälschlicherweise als Flirt oder Kompliment aufgefasst werden. Die belästigte Mitarbeiterin konnte das Geschehene nicht benennen und demzufolge keine Maßnahmen ergreifen, um sich zu schützen. Währenddessen war sich der Chef keiner Schuld bewusst und profitierte aus dieser Lücke in der Sprache. Eine Ungerechtigkeit, die durch keine Worte ausgedrückt werden kann. Und damit unsichtbar ist. Lücken in der Sprache unterdrücken Perspektiven. Indem ein Missstand benannt wird, ist er auch für Außenstehende begreifbar. Erst durch die Benennung einer Sache wird diese sichtbar. Doch obwohl die Benennung bestimmter Dinge von großer Wichtigkeit ist, macht Gümüsay klar, dass diese auch Nachteile mit sich bringt. Kollektivnamen und Definitionen reduzieren Menschen auf bestimmte Merkmale und Eigenschaften. Sie schreiben Menschen vor, wer, was und wie sie zu sein haben. Benennungen schaffen erst Stereotypen. Die Macht von Sprache ist also nicht immer nur positiv. Wenn Sprache Lücken hat, kann dies schwere Folgen haben. Unbenannte Dinge bleiben unsichtbar. Gleichzeitig können durch Benennungen in der Sprache erst Kategorien, Klischees und Stereotypen entstehen, die Menschen einschränken. Dieser Aspekt, den Sprache beinhaltet, schafft auch schon eine erste Verbindung zur gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen.
Der Begriff „Frauenliteratur“ ist ein Beispiel für solch eine Benennung mit negativen Folgen. Er bezeichnet Literatur, die von Frauen geschrieben wird. Der Begriff stellt eine klare Abwertung dar, meint die Autorin Nicole Seifert. Sie argumentiert damit, dass es den Begriff „Männerliteratur“ auch nicht gibt. „Frauenliteratur“ suggeriert, dass diese Literatur speziell für Frauen gedacht ist und bestimmte stereotypisch „weibliche“ Themen behandelt. Dadurch hält er einen Teil der Leserschaft fern. Frauen sind in vielen Aspekten unserer Gesellschaft benachteiligt, deshalb existiert auch noch die generelle Haltung, dass Werke von Frauen weniger wert sind als die von Männern. Zum Beispiel werden in der Schule fast ausschließlich Werke von weißen Männern gelesen.
Denken sie an ihre eigene Schulzeit zurück. Wie viele Werke von Frauen haben Sie im Unterricht behandelt?
Durch dieses Ungleichgewicht werden oft falsche Schlüsse gezogen, zum Beispiel dass Frauen weniger, noch nicht so lange oder schlechter schreiben als Männer. Bereits in jungem Alter wird einem also diese negative Sicht auf Literatur von Frauen beigebracht, ganz nach dem Motto: Literatur von Frauen reicht nicht aus, um in der Schule gelesen zu werden, Werke von Männern sind daher literarisch wertvoller. Seifert macht deutlich, all diese Vorurteile sind falsch. Frauen schreiben schon genau so lange, viel und gut wie Männer. Im historischen Kontext wurde Frauen das Schreiben oft erschwert, da ihnen der Zugang zu Bildung verwehrt und das Ausüben bestimmter Berufe verboten wurde. Deshalb sind auch weniger historische Werke von Frauen bekannt.
Zudem wird Literatur von Frauen oft unsachlicher und härter bewertet. Dies liegt zum einen an der fehlenden Beschäftigung mit Literatur von Frauen, zum anderen daran, dass Frauen als Autorinnen und in der Literaturkritik unterrepräsentiert sind. Die Statistik „#Frauen zählen“ macht genau dies deutlich. Nur 21% aller besprochenen und rezensierten Fantasy-, Horror- und Science-Fiction-AutorInnen sind Frauen. Die Studie zeigt, dass besprochene Werke von Frauen in allen Genres stark unterrepräsentiert sind. In keinem der aufgeführten Genres, gibt es mehr Autorinnen als Autoren. Auch LiteraturkritikerInnen besprechen im Allgemeinen mehr Werke von Männern als von Frauen. Diese Studie liefert einen weiteren Beleg, dass Frauen in unserer heutigen Gesellschaft immer noch nicht mit Männern gleichgestellt sind.
Um nun zusammenfassend beide anfangs genannten Aspekte nochmals miteinander in Verbindung zu stellen: Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen dem gesellschaftlichen Bild von Mann und Frau. Daher wird Literatur von Frauen benachteiligt und weniger gelesen. Im Umkehrschluss heißt das, Literatur, die von der Masse konsumiert wird, ist meistens von Männern verfasst. Das bedeutet also, die Literatur, die so viel Macht und Potential hat, die uns Einsichten und Empfindungen schenkt, die uns in andere Welten bringt, die uns beeinflusst, diese Literatur, stammt größtenteils von Männern. Wir als Gesellschaft werden also stärker von den Gedankengängen und Weltbildern von Männern geprägt. Deshalb werden Frauen durch Lücken in der Sprache auch oftmals benachteiligt, einfach weil die Sprache bzw. Literatur von Frauen benachteiligt wird und weniger zur Geltung kommt. Und das nicht, weil sie weniger wichtig, weniger ausdrucksstark von weniger Inhalt oder auch nur auf irgendeine Art weniger ist als die von Männern. Sie wird benachteiligt, weil Frauen in der heutigen Welt, in diesem Jahr, an diesem Tag und in dieser Sekunde immer noch nicht mit Männern gleichgestellt sind.
Die Macht von Literatur ist also eng mit der gesellschaftlichen Benachteiligung von Frauen verbunden.
Schon viele Jahrhunderte kämpfen Frauen dafür, gleichberechtigt mit Männern zu sein und auch, wenn sich schon vieles gebessert hat, gibt es doch noch einen langen Weg zu gehen.
Es gibt viele Wege gegen die Ungerechtigkeiten, die heutzutage immer noch herrschen, vorzugehen. Doch ein Mittel, das unausweichlich auf diesem Weg ist, ist eindeutig richtige Sprache. Wie anfangs festgestellt, kann Sprache so viel Positives bewirken. Sprache hat so viel Potential und kann, wenn sie richtig gebraucht wird, die Welt verändern. Und hierbei ist der richtige Gebrauch von Sprache essenziell. Sprache, die keine sexistischen und diskriminierenden Rollenbilder unterstützt. Sprache, die Ungleichheiten vermindert, anstatt sie zu verstärken. Sprache, die dabei hilft, Geschlechterstereotypen aufzubrechen und eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Sprache, die die Grenzen unserer Welt erweitert.
Änderungsdatum: 24.2.2024
von Anne S.
Die vielschichtige Kraft der Literatur
Zwischen Erkenntnis, Diskriminierung und Unsichtbarkeit
Was kann Literatur? So viel und gleichzeitig so wenig. Sprache führe den Geist zu Orten, die es nie gegeben hat, so Kübra Gümüsay. David Grossman ergänzt, dass Literatur ihren Leser*innen deren Inneres zeige. Sie könne nämlich die Lesenden auf den Kopf stellen, Erinnerungen und Einsichten und Erfahrungen hervorrufen, sie zeige den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen hell und dunkel, trübe und rein.
Wer liest, versteht, wie die Welt funktioniert.
Kennen Sie dieses Gefühl, wenn man liest, dass die Welt um einen herum verschwindet und man tief in sich selber Einsichten findet? Das klingt vielleicht sehr weit hergeholt, aber beim Lesen passiert genau das. Man fühlt „authentische, nicht manipulierbare Emotionen“, wie Grossman es ausdrückt. Literatur bringt uns mit der Wahrheit in Verbindung.
Nehmen Sie etwas wahr, das keinen Namen in unserer Gesellschaft hat? Die meisten würden dieser Frage ein empörtes „Ja?!“ entgegenbringen, doch überlegen Sie einen Augenblick und nehmen Sie sich Zeit für ein Beispiel: Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es keinen Begriff für Homosexualität. Wer eine Person des gleichen Geschlechtes liebte, wurde als verrückt angesehen, ketzerisch – einfach falsch. Zu dieser Zeit verstand man die Beziehung zwischen Mann und Frau als einzige richtige Variante von Liebe. Homophil zu sein war den Menschen kein Begriff und schon gar nicht irgendeine Form von Normalität. Heute ist bekannt, dass ca. 10% der Menschen „homosexuell“ sind. Der Begriff ist definiert und die Menschen verstehen eher, dass es auch normal ist, queer zu ein.
Sprache schafft Lücken und genau das eben genannte ist eine sehr relevante Lücke, entstanden durch fehlende Sprache.
Zusammengefasst: Was nicht benannt wird, gibt es nicht. Erst „[i]ndem wir einen Missstand benennen, geben wir ihm einen Raum, machen ihn greifbar. [Er] […] bleibt nicht länger namenlos, unsagbar“, wie Kübra Gümüsay es formuliert.
Auf der anderen Seite kann genau dieses Benennen ein Problem sein. Wenn ein Mensch in eine Kategorie eingeteilt wird, wird ihm das Menschsein und die Individualität genommen. In ihrem Text „Die Lücke ist politisch“ führt Gümüsay die Allegorie eines Museums an, in dem Menschen mit ähnlichen Eigenschaften, die als „nicht normal“ angesehen werden, kategorisiert in Glaskäfige gesteckt werden. Dort können die „normalen“ Menschen sie begaffen und analysieren. Was ein Mensch in dem Käfig tut, wird auf alle Eingesperrten bezogen. Damit werden ihnen ihre Einzigartigkeit und ihr eigenständiges Sein entzogen.
Literatur kann also unbeschreiblich viel, sowohl Negatives, als auch Positives. Und alle sind sich einig, dass die gesamte Literatur sowohl Menschen verzaubern und ihnen die Wahrheit zeigen als auch Menschen verfluchen und diskriminieren kann. Dabei spielt nicht die Hautfarbe der Autor*innen eine Rolle, nicht die Herkunft, weder Religion und Kultur, noch Geschlecht – oder? Wenn sich Literatur, die von Männern und Frauen geschrieben ist, nicht unterscheidet, warum gibt es dann den Begriff „Frauenliteratur“, der allein durch seine Existenz impliziert, dass es tatsächlich einen Unterschied gibt?
Was bezeichnet dieser Begriff eigentlich? Auf den ersten Blick eigentlich nichts Negatives. Die Definition auf duden.de lautet: „von Frauen verfasste […] Literatur, Frauen betreffende Literatur“.
Doch das ist nur oberflächlich.
Wenn man etwas tiefer schaut, kommen mehr Bedeutungen zum Vorschein. Nicole Seifert spricht im Interview über ihr Buch „FRAUEN LITERATUR“ genau dies an: „Der Begriff Frauenliteratur stellt eine Abwertung dar, weil er suggeriert, das sei nichts für Männer, er hält also potentielle Leser fern.“
Die Benennung einer sich eigentlich nicht von „Männerliteratur“ (einem Begriff, den es gar nicht gibt) abgrenzenden Literaturgattung, die von Frauen geschrieben wird, impliziert, dass diese schlechter ist. „Frauenliteratur ist einfach Literatur.“, wie Seifert es ausdrückt. Trotzdem würde der „Begriff aber […] oft benutzt, um […] Autorinnen abzuwerten“.
Dies kommt daher, dass Männer überhaupt nicht wahrnehmen, was Frauen schreiben. Die Studie „Zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ beweist genau das. Diese zeigt auf, welche Bücher von wem auf der Leipziger Buchmesse 2018 besprochen wurden. Klar zu sehen ist, dass Kritiker drei mal so viele Bücher von Autoren besprochen haben als von Autorinnen. Kritikerinnen diskutierten in etwa gleich viele von Frauen und Männern verfasste Bücher. Insgesamt wurde deutlich mehr Literatur von Männern behandelt.
Das ist nicht fair!
Aber nicht nur auf Buchmessen sind Arbeiten von Frauen unterrepräsentiert. Wenn Sie in Ihre Schulzeit zurückdenken, welche Autorinnen fallen Ihnen ein, die Sie gelesen haben? Als ich diese Frage meinem Vater gestellt habe, fiel ihm nur eine ein: Annette von Droste-Hülshoff. Nicole Seifert bringt es auf den Punkt: „In den meisten Bundesländern macht man nach dem Rahmenlehrplan Abitur, ohne eine einzige Autorin gelesen zu haben.“ Es werden fast nur Bücher von „weißen, toten Männern“ gelesen. Da ist es kein Wunder, dass viele Menschen auch im Erwachsenenalter nach Werken von Männern greifen und Literatur von Frauen im Schrank stehen bleibt.
Jetzt stellt sich nur die Frage, warum in der Schule keine Bücher von Frauen gelesen werden. Ist die Antwort vielleicht offensichtlich?: „Es ist ja Literatur von Frauen, die kann ja gar nicht so gut sein!“ Diese Behauptung bezieht sich auf unzählige Vorurteile, die alle zusammen ergeben, dass von Frauen Geschaffenes schlechter ist, als das des männlichen Geschlechtes. „Aber die Frau ist und bleibt halt das [schwache] […] Geschlecht“, wie Paulina Behrendt es in ihrem Poetry Slam „Schweigepflicht“ ausdrückt. Frauen seien zu weich und im Umgang mit Kindern immer sehr geschickt. Wurden deshalb bei der Leipziger Buchmesse 2018 lediglich im Genre Kinder- und Jugendliteratur Bücher von Männern und Frauen in gleichem Maße besprochen? Grundsätzlich ist es doch eine positive Eigenschaft, gut mit Kindern klar zu kommen, doch viele Frauen werden nur auf ihre Rolle als Mutter reduziert. Kann eine Frau nicht sowohl eine gute Mutter sein, als auch beruflichen Erfolg erzielen? Auch das thematisiert Paulina Behrendt ausführlich in ihrem Text. „Macht sie Karriere, fragst du, wo die Kinder sind.“ So drückt die Influencerin annarative diese Ungerechtigkeit in ihrem Instagrampost vom 20.07.2023 aus.
Doch nicht nur im beruflichen Leben werden Frauen oft Männern gegenüber benachteiligt. Auch im Alltag finden sich immer wieder Situationen, die die ungleiche Behandlung der Geschlechter zeigen. Nicht nur sexistische Werbung, sondern auch Belästigungen, die auf die „Triebe der Männer“ geschoben und somit bagatellisiert werden, erschweren das Leben vieler Frauen. Auch dass Frauen über ihr Aussehen bewertet werden, ist nicht richtig. Entweder ist es zu obszön oder zu zurückhaltend.
Ob im Beruf, Alltag oder in der Literatur, Frauen werden viel zu oft benachteiligt.
Die Gesellschaft muss sich darüber klar werden, dass Frauen und Männer gleichwertige Mitglieder unserer Gemeinschaft sind und entsprechend behandelt werden müssen! Ein kleiner Schritt dafür wäre, kritisch mit Sprache und Literatur umzugehen, ihre Macht zu erkennen und sich gegen stereotype Kategorisierungen und Diskriminierung zu engagieren. Ich hoffe, ich konnte Ihnen zeigen, dass Frauenliteratur einfach Literatur ist, gleichberechtigt mit der von Männern. Und vielleicht greifen Sie ja beim nächsten Bücherkauf mal nach „Frauenliteratur“!
Änderungsdatum: 24.2.2024
von Benedetta G.
Sprache braucht Fraue
Sprache ohne Frauen ist wie ein Baum ohne Wurzeln
Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, das unsere Gedanken und Überzeugungen widerspiegelt. Aber was passiert, wenn die Hälfte der Gesellschaft in der Sprache unsichtbar wird?
Wie kann überhaupt von einer gerechten Gesellschaft gesprochen werden, wenn die Hälfte der Gesellschaft in der Sprache unsichtbar ist?
In vielen Kulturen können Sprichwörter und Redewendungen gefunden werden, weil sie ein fester Bestandteil der Sprache sind. Darüber hinaus sind Sprichwörter weithin bekannte, etablierte Sätze und Redewendungen werden oft bildlich oder metaphorisch verwendet. Sie vereinfachen die Kommunikation komplexer Ideen und Konzepte auf eine einfache und verständliche Weise. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen Sprache als Waffe eingesetzt wird. Es besteht eine lange Tradition, die lehrt, verbale Angriffe, die schwer abzuwehren sind, zu ignorieren. Wenn diese Angriffe jedoch regelmäßig und systematisch werden und auf die Stellen, die besonders verletzlich oder sensibel sind, zielen, hat das Opfer das Recht, sich als Opfer von verbalem Missbrauch zu betrachten. Im Zusammenhang mit verbalen Angriffen können diese Stellen besonders wichtige oder emotionale Themen für eine Person sein oder Schwächen, die sie besonders angreifbar machen. Kübra Gümüsay beschäftigt sich in ihrem Buch ,,Sprache und Sein“ unter anderem mit diesem Thema und bezieht sich auf die Wissenschaftlerin Miranda Fricker.
Vor allem Frauen leiden häufig unter sexualisierter verbaler Gewalt, die als sexuelle Gewalt angesehen wird.
Geschlechtsspezifische Gewalt, wie Paulina Behrend in ihrem Poetry Slam beschreibt, findet sowohl online als auch offline statt und unterdrückt die Freiheit und Meinungsäußerung von Frauen. Behrends Werk ,,Schweigepflicht“ ist eine Satire, die sich mit dieser Ungerechtigkeit befasst, die Frauen erleiden. Ziel ist es, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und Diskussionen anzuregen.
Es ist wichtig, dass sich bewusst mit Sprache auseinandergesetzt wird und dass sich gefragt wird, ob sie wirklich alle Menschen einschließt und Sichtbarkeit schafft.
Frauen leisten mit Literatur einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit von Frauen in der Gesellschaft. Nur stellt die Diskriminierung von Frauen in der Literatur ein weiteres Problem dar, das alle angeht.
Das, was Frauen schreiben, wird oft als sogenannte Frauenliteratur angesehen und die Werke werden oft auf ein niedrigeres Niveau gestellt.
Dieses Phänomen wird durch ein geschlechterspezifisches Ungleichgewicht bei Literaturbesprechungen verursacht, bei dem Frauen und ihre Werke weniger Beachtung finden als Männer und ihre Werke. Diese Erkenntnis ergab eine Studie zur Sichtbarkeit von Literatur von Frauen bei besprochener Literatur (#FRAUENZÄHLEN).
Es ist notwendig, dass man sich im Klaren darüber ist, dass Geschlechterungleichheit in der Literaturwelt ein Problem darstellt und dass man sich dafür einsetzen sollte, dass Frauen und ihre Werke die Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten, die sie verdienen.
Ebenfalls sagt Nicole Seifert in einem Interview, der Begriff "Frauenliteratur" sei problematisch, da er suggeriere, es handle sich um eine Unterkategorie der Literatur, die nur Frauen beträfe und für Frauen interessant sei. Es ist notwendig, dass man sich bewusst mit Sprache auseinandersetzt, sie kritisieren und überprüfen, ob sie wirklich alle Menschen einschließt. Damit verbunden ist die Literaturkritik, die auch Gegenstand der Studie von #FRAUENZÄHLEN ist.
Ist es nicht an der Zeit, unsere Sprache zu ändern, um eine integrative und gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen?
Wo ist die Lücke, die geschlossen werden muss? Kübra Gümüsay beschreibt in ihrem Buch ,,Sprache und Sein“ diese Lücken als politisch. Die Sprache reiche nicht aus und habe ihre Grenzen, sodass beispielsweise nicht alle Menschen, in jeder Sprache existieren können, da dafür oft Umschreibungen oder Definitionen erst geschaffen werden müssen.
Um noch einmal zu Miranda Fricker zurückzukommen, die am Beispiel von sexueller Belästigung gezeigt habe, welche Konsequenzen es haben könne, wenn Missstände nicht benannt werden können. In den 1960er Jahren sei der Begriff "sexuelle Belästigung" in den Vereinigten Staaten noch nicht weit verbreitet gewesen und es habe keine gesellschaftliche Übereinkunft darüber gegeben, was er beschreibe. Dementsprechend habe eine Belästigung als Flirt oder als Kompliment aufgefasst werden können. Erst mit der Verbreitung des Begriffs und einem gemeinsamen Verständnis von sexueller Belästigung sei es möglich gewesen, den Missstand als gesellschaftliches Problem zu thematisieren. Weiter schreibt K. Gümüsay, ein Mensch sei in derselben Sprache sprachlos- fast schon machtlos, weil sie für seine Erfahrungen keinen Ausdruck kennt. Machtlos, denn was bleibt einem Menschen ohne Sprache?
Paradox, nicht wahr? Es sei so, dass nicht einmal die Lücke zwischen Sprache und Welt adäquat in Worte gefasst werden könne, sodass sie in der Gesellschaft nicht als ungerecht verstanden werden kann.
So entsteht ein Problem: Wenn eine betroffene Person nicht in der Lage ist, ein Problem zu verbalisieren, dann könne der/die Täter/in sich seiner/ihrer Schuld nicht bewusst werden.
Denn was nicht benannt ist, existiert nicht.
Darüber hinaus kommt der menschliche Drang und Impuls des Schubladendenkens und Kategorisieren.
In diesem Zusammenhang von ,,menschlich“ zu sprechen, scheint nicht richtig. Menschlichkeit wird mit Eigenschaften wie Empathie, Rücksichtnahme, Toleranz und Respekt assoziiert. Wie also kann etwas menschlich sein, wenn es Menschen schadet und gesellschaftlich spaltet? Wie könnte man versuchen es zu verstehen?
Literatur kann es. So schreibt es David Grossman in dem Zeitungsartikel ,,Literatur und Politik: Gegen die Masse“: Es wird erwähnt, Literatur könne helfen, das Grundprinzip des Menschen zu verstehen und dass Literatur einen mit der eigenen, tief gehenden Existenz konfrontiere. Allgemein betrachtet, sind heute noch viele Texte ausschließlich im generischen Maskulinum geschrieben. Das macht Frauen sprachlich unsichtbar: Etwa die Hälfte der Gesellschaft tritt sprachlich nicht in Erscheinung, sondern wird einfach übergangen.
Dies führt zu einer Reihe von Problemen, wie etwa die Unverständlichkeit von Statistiken. Insbesondere, weil es schwieriger ist, Daten zu interpretieren und verstehen, wenn in Statistiken nur das generische Maskulinum verwendet wird. Es ist unbestreitbar, dass eine Sprache ohne Frauen eine unvollständige und diskriminierende Sprache ist. Eine solche Sprache schwächt den Zustand der wissenschaftlichen Erfolge ab und trägt zur Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen bei.
Insgesamt wird deutlich, dass Sprache Frauen braucht, um vollständig und inklusiv zu sein.
Lasst uns gemeinsam die Sprache ändern, damit sie integrativer und gerechter wird. Lasst uns mehr Bücher von Frauen lesen. Lasst uns aufschreien und unsere Stimmen erheben, um Frauen sichtbar zu machen und ihre Beiträge anzuerkennen. Lasst uns Worte finden, die alle ansprechen, und dafür sorgen, dass die von uns verwendete Sprache alle Geschlechter einschließt.
Eine Sprache ohne Frauen ist wie ein Baum ohne Wurzeln - unvollständig und diskriminierend. Lasst uns danach streben, eine Sprache zu schaffen, die vollständig ist, um der Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen ein für alle Mal ein Ende zu setzen.
Änderungsdatum: 24.2.2024
von Emelie S.
Frauen und Sprache
Benutzerinnen oder Benutzte?
Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken“ (Samuel Johnson), eine wunderbare Möglichkeit sich auszudrücken. Sie ist ein mächtiges Werkzeug, das nicht nur zur Übermittlung von Informationen dient, sondern Identität ausdrückt, Beziehungen formt und soziale Veränderung herbeiführt.
Doch wenn Frauen in der Sprache nicht beachtet werden, wie sollen sie dann einen Beitrag zu unserem Fühlen, Denken und Handeln leisten?
Ein Vater begleitet seinen Sohn zu einer Prüfung. Er wünscht dem Jungen viel Glück und geht. Doch kaum betritt der junge Mann den Raum sagt der Prüfer: „Ich kann ihn nicht prüfen. Er ist mein Sohn!“
Eine verwirrende Situation, nicht wahr? War der Vater nicht gerade erst gegangen? Die Antwort ist ganz simpel. Der Prüfer ist die Mutter.
Solche Missverständnisse, die durch sprachliche Unvollständigkeiten entstehen, kommen häufig vor.
Frauen werden in Ausdrücken nicht mitgedacht und daher vergessen, übergangen und nicht erwähnt. Ihnen und ihren Werken werden wegen patriarchalischen Denkmustern nicht gleich viel Aufmerksamkeit gegeben! Sind Frauen in Bezug auf Sprache noch immer benachteiligt?
Sprache bietet eine wunderbare Möglichkeit sich auszudrücken.
Sie ist ein mächtiges Werkzeug, das nicht nur zur Übermittlung von Informationen dient, sondern Identität ausdrückt, Beziehungen formt und soziale Veränderung herbeiführt.
Durch sie kann beschrieben werden wie man sich fühlt – solange die Worte dazu existieren.
Denn wo eine sprachliche Lücke ist, z.B. bei Benutzung von nicht gendergerechter Sprache, da findet sich oft auch eine gesellschaftliche, wie Kürba Gümüsay in ihrem Text „Die Lücke ist Politisch“ klar darlegt. Sprache ist nicht neutral, sondern sie spiegelt die sozialen Strukturen und Machtverhältnisse wider. Eine gendergerechte Sprache hingegen fördert die Gleichberechtigung, bricht mit den traditionellen Geschlechterrollen und macht Frauen auch in der Sprache sichtbar.
Oft ist Sprache wertend und sexistisch. Diesen Zustand erst einmal zu verbalisieren, hat lange gedauert. Bis dahin galt manche sexuelle Belästigung als Kompliment. Miranda Fricker zeigt, wie sich Männer, die Frauen in den 1960er Jahren belästigten, keiner Schuld bewusst waren, da der Begriff „sexuelle Belästigung“ weder definiert noch weit verbreitet war und ihre Kommentare so als Flirt oder Komplimente gewertet wurden. Wie sich Frauen fühlten, die so belästigt wurden, konnte sprachlich noch nicht ausgedrückt werden, da „sexuelle Belästigung“ als Ausdruck noch nicht definiert war. Also war es auch kein „reales“ Problem.
Opfern von sexueller Belästigung oder Gewalt wird zudem oft nicht geglaubt. Sie werden in der Presse niedergemacht oder als Mittäterinnen dargestellt.
Heute stehen betroffene Frauen Wörter zur Verfügung, um ihre Erfahrungen zu beschreiben, doch trotzdem ist die Sprache in Bezug auf Gleichberechtigung noch nicht vollendet. Immer noch nutzt man meist nur die männliche Form, um Personengruppen zu benennen. Man verallgemeinert und schließt damit das nicht erwähnte Geschlecht aus, wenn man z.B. nur von Krankenschwestern oder Ärzten spricht. Auch im Duden hat es lange gedauert, bis Frauenberufe ihre eigenen Definitionen erhalten haben und nicht immer auf die Männer hingewiesen wurde, um den Begriff zu erklären.
David Grossman beschäftigt sich ebenfalls mit Sprache und Literatur und eben diese lassen laut ihm die Wahrheit erkennen und regen starke Emotionen, sowie unser Handeln an.
Doch wenn Worte und Geschriebenes von Frauen nicht einmal wahrgenommen werden, wie sollen sie uns zum Handeln anregen?
Wo bleiben da die Stimmen der Frauen?
Studien beweisen eindeutig, dass die Literatur von Frauen, die rezensiert wird, als einfältiger, uninteressanter oder nur für Frauen dargestellt wird. Und diese Gedanken sind tief in unserer Gesellschaft verankert! Ihre Literatur ist unterrepräsentiert – nur in der Kinder- und Jugendliteratur „dürfen“ Frauen vertreten sein – hier präsentiert sich wieder das traditionelle Geschlechterbild, wie die Studie „Zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ mit ihren Ergebnissen deutlich zeigt. Das Denken, Literatur von Frauen sei nur für andere Frauen und Kinder, lässt sich auch auf das Frauenbild in der Gesellschaft zurückführen.
„Ich glaube es gibt genug Menschen die der Auffassung sind, dass Mann und Frau in einem Land wie Deutschland zu einer heutigen Zeit komplett gleichberechtigt sind“, meint Paulina Behrendt in ihrem Poetry Slam „Schweigepflicht“.
Sie sollen Mütter sein. Sie sollen Hausfrauen sein. Sie sollen erfolgreich im Beruf sein. Eine Karriere wäre auch gut. Doch während sie versuchen dem gesellschaftlichen Ideal gerecht zu werden, werden sie weiterhin sexualisiert. Ihre Leistung wird nicht anerkannt, ihre Arbeit als weniger wichtig abgestempelt. Und wortlos sollen sie auch sein. Dabei sind es gerade die Frauen, die durch ihre einzigartige Sprache, Kommunikation und Denkweise die Welt mit am Laufen halten.
Frauen sind also in Bezug auf Sprache noch lange nicht gleichberechtigt, was ihren Status in der Gesellschaft widerspiegelt. Sie werden belästigt, beschimpft, ihnen wird nicht zugehört und sie werden nicht ernstgenommen. All das passiert, um sie ausdruckslos und mundtot zu machen.
Sprache und Gesellschaft sind eng verknüpft und beeinflussen einander.
Wer die Gesellschaft verändern möchte, muss auch die Sprache verändern - und andersherum.
Gendern wir beispielsweise, werden sich Frauen mehr angesprochen fühlen und die Gesellschaft wird sie mehr wahrnehmen. Auch würden solche Missverständnisse wie, dass unter dem Wort „Prüfer“ keine Frau vermutet wird, nicht mehr passieren und es würden alle Geschlechter in die Sprache miteinbezogen werden.
Frauen muss zugehört und ihren Werken Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn eine Gesellschaft kann sich nicht nur aufgrund der Perspektive der Männer weiterentwickeln!
Änderungsdatum: 24.2.2024
von Nomin S.
Und wo bleiben die Frauen?
Über die Präsenz von Frauen in der Literatur und warum sie uns fehlt
Nehmen Sie sich zu Beginn einen Moment Zeit für sich und denken Sie an die bedeutendsten und berühmtesten Autoren der Weltgeschichte. Wer fällt Ihnen ein? Naja, Shakespeare, Schiller, Goethe, die üblichen Verdächtigen. Und wenn man nun die Leiter der Autoren immer weiter hinabklettert, vorbei an Orwell, Tolkien und Kafka, kommt man vielleicht irgendwann auch bei Jane Austen, Virginia Woolf und Agatha Christie an. Nicht etwa, weil diese Autorinnen den zuvor genannten Autoren in irgendetwas nachstehen würden. Niemand würde „Stolz und Vorurteil“ seinen Status als Klassiker abstreiten.
Doch trotzdem ist die Präsenz von Frauen in der Literatur deutlich verhaltener als die der Männer.
Die „Studien Zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ aus dem Jahr 2018 zeigen: Männer dominieren in beinahe allen Genres der Literatur, die rezensiert werden, mit einem Verhältnis m/f von etwa 75/25. Das einzige Genre mit einer ausgeglichenen Quote ist Kinder- und Jugendliteratur. Na klar, wo auch sonst. Kinder und Frauen, das passt doch perfekt zusammen. Anscheinend interessiert sich niemand für die Bücher, die Frauen schreiben, vielleicht gibt es gar keine oder sie sind einfach schlecht. Oder ist die Angelegenheit doch etwas komplizierter?
Gehen wir etwas zurück und blicken auf unsere Anfänge - richtig, unsere Kindheit, vor allem unsere Schulzeit!
Denn das, was wir dort lernen, prägt uns ein Leben lang.
In einem Interview erklärt die Autorin des Best-Seller Sachbuchs „(Frauen)Literatur“, Nicole Seifert, wie Autorinnen durch die Schulen Sichtbarkeit einbüßen müssen. Gerade diese könnten deutlich mehr gegen das Ungleichgewicht von Männern und Frauen in der Literatur tun, indem auch Autorinnen gelesen werden. Die meisten Schülerinnen und Schüler machen ihr Deutschabitur, ohne auch nur ein einziges Buch von einer weiblichen Autorin gelesen zu haben. In der Schule lernt man: die wichtigsten Autoren sind alle Männer, berühmte Autorinnen schreiben nur „Kitsch-Romane“ oder Kinderbücher. Aber das ist eine Lüge: Frauen haben schon immer geschrieben, seit es Schrift gibt und werden dies auch weiterhin tun.
Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie wichtig es für uns alle ist, dass Bücher von Frauen gelesen werden. Literatur ist vieles, so viel mehr als nur Symbole auf Papier.
Die Literatur ist der Spiegel unserer Gesellschaft.
Aber Literatur hat auch einen anderen Zweck, den David Grossmann in „Literatur und Politik: Alleine gegen die Masse“ thematisiert. Sie trägt stark zur politischen Meinungsbildung bei, in dem die Leserinnen und Leser die Erfahrungen der Figuren durch Geschichten miterleben und ihre Schlüsse daraus ziehen.
Grossmann betont , dass sie gerade heutzutage wichtig ist, denn in der Informationsmüllhalde der Massenmedien und des Internets kann man schnell untergehen. Literatur hingegen ist ein fester Anhaltspunkt, an dem man sich orientieren kann. Aus ihr kann man ein eigenes Weltbild schöpfen, das sich nicht so einfach erschüttern lässt. Wer also in der Lage ist, die eigene Meinung durch Literatur und Sprache zu verbreiten, der ist mächtig, und wer das nicht kann, ist machtlos.
Was tut man aber, wenn die passenden Worte gar nicht existieren? Mit diesem Problem beschäftigt sich auch Kübra Gümüşay in „Die Lücke ist politisch“. Sie führt Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in den 1960ern Jahren an, mit denen sich die Wissenschaftlerin Miranda Fricker beschäftigte. Ein sexueller Übergriff wurde damals lediglich als Flirt oder Kompliment aufgefasst, denn es wusste kaum jemand, dass so etwas wie „sexuelle Belästigung“ überhaupt existiert und mit dem Begriff konnte niemand etwas anfangen. Nur der Belästiger profitierte von dem fehlenden Verständnis und war sich keiner Schuld bewusst. Eine Frau, die von ihrem Chef sexuell belästigt wurde, konnte nicht damit vor Gericht ziehen, denn auf welcher Basis sollte sie klagen? Wegen einer netten Geste wie einem „Kompliment“ kann man niemanden anzeigen.
Wir brauchen Sprache, die Frauen mit einbezieht, um gegen Diskriminierung vorzugehen. Wir brauchen die Meinungen, Erfahrungen und Gedanken von Frauen, um unser eigenes Verständnis zu erweitern und neue Perspektiven zu erkennen. Denn wenn man die Perspektive wechselt, merkt man wie so oft, dass alles eine Gewöhnungssache ist. In ihrem Poetry Slam „Schweigepflicht“ tut Paulina Behrendt genau das: sie beschreibt den Alltag in einer matriarchalen Gesellschaft auf ironische Weise. Frauen, die den muskulösen Armen der Männer hinterhergaffen, Männer, die auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben, weil Jobs nach Anzahl der Geburten vergeben werden. Die Zuhörer des Poetry Slams lachen über den Irrsinn der Situation, aber ist das nicht die traurige Wahrheit? Wir sind es gewöhnt, dass Männer dominieren und das „gute Literatur“ von Männer kommt, auch wenn das nicht so sein muss.
Literatur von Frauen ist wichtig für uns. Erst wenn wir alle Perspektiven erfahren haben, können wir das Bild als Ganzes sehen.
Änderungsdatum: 24.2.2024