Zeitzeuginnen am St.-Dominikus-Gymnasium

Am 15. Mai 2014 waren im Rahmen des Zeitzeugenprojekts des Maximilian-Kolbe-Werks zwei Zeitzeuginnen an der Schule zu Gast, die vor den Neunten Klassen von ihren Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus berichteten. Begleitet wurden Alodia Witaszek und Henriette Kretz von Ehrenamtlichen des Maximilian-Kolbe-Werks, die uns zu Anfang ein wenig über die Person Maximilian Kolbe und die Arbeit des Werks erzählten. Pater Maximilian Kolbe war katholischer Priester und Mitbegründer der franziskanischen Klosterstadt Niepokalanow (Polen). Dort errichtete er das größte katholische Pressezentrum Polens. 1939 wurde er aufgrund seines Denkens verhaftet und 1941 nach Auschwitz deportiert. Da am 29. Juli 1941 ein Häftling aus dem Lager entkommen war, sollten 10 Häftlinge dafür sterben. Maximilian Kolbe ging anstatt eines Familienvaters in den Hungerbunker. Er überlebte diesen und wurde am 14. August 1941 durch eine Phenol Spritze getötet. Er ist für diesen Einsatz 1982 heilig gesprochen worden.  Das Maximilian-Kolbe-Werk kümmert sich um alle Überlebenden des Holocaust in Polen und anderen Mittel- und osteuropäischen Staaten. Die drei Grundsätze  des Werks sind Helfen, Versöhnen und Erinnern. In diesem Rahmen finden auch immer wieder Zeitzeugenprojekte in ganz Deutschland statt. Da im Mai Zeitzeugenprojekte im Raum Karlsruhe stattfanden, hatten wir die Gelegenheit, in zwei Schulstunden etwas über das Leben der beiden Zeitzeuginnen zu erfahren.

Alodia Witaszek wurde 1938 in Polen geboren. Zu Beginn des 2. Weltkrieges besetzten die Deutschen ihre Heimatstadt. Da ihr Vater sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen hatte, wurde er verhaftet und mit den anderen Mitgliedern in ein KZ gebracht. Dort wurde er kurz darauf hingerichtet. Sein Schicksal sollte die ganze Familie treffen. Die Mutter wurde abgeholt und ihre 5 Kinder blieben allein zu Hause, sie waren zwischen einem und acht Jahren alt. Nach wenigen Tagen wurden die Kinder auf Familien im Bekannten- und Verwandtenkreis verteilt. Alodia wurde bald von ihrem Aufenthaltsort weggebracht, denn sie galt als „rassentauglich“, genau wie ihre Schwester Daria. Die beiden kamen erst gemeinsam in das Jugendverwahrlager Litzmannstadt, wo sie als einzige Mädchen ihre langen Haare behalten durften, später wurden sie in einem Kloster untergebracht. Dort bekamen sie neue Namen. Alodia hieß nun Alice und ihre Schwester Doris. Zudem wurde ihnen eingeredet, sie seien nun Waisenkinder, da ihre Mutter schon lang nicht mehr lebe. Im Januar 1944 kamen sie in ein  Lebensborn-Heim in Westpommern. Dort wurde Alodia eines Tages von ihrer deutschen „Mutti“ abgeholt. Sie sei ein geschenktes Kind des Führers und ein durch und durch deutsches Kind, wurde der „Mutti“ erklärt. Diese hatte selbst keine Kinder und adoptierte Alodia, die nun den Namen Alice Luise Dahl trug. Ihre Schwester kam nach Österreich. Nach dem Krieg versuchte dann ihre leibliche Mutter, die das KZ Ravensbrück überlebte, herauszufinden, wo sie und ihre Schwester sich befanden. 1947 kehrte Alodia nach Polen zurück, ihre Schwester wenig später. Sie sprachen kein Polnisch mehr und hatten anfänglich Schwierigkeiten, sich mit ihren Geschwistern zu verständigen. Alodia pflegte den Kontakt zu ihrer „Mutti“ bis zu deren Tod, zudem waren Alodias Mutter und ihre deutsche „Mutti“ Freundinnen geworden. Alodia ist aktuell 1- bis 2-mal pro Jahr in Deutschland, um an Gedenkveranstaltungen teilzunehmen oder um ihre Geschichte zu erzählen.

Henriette Kretz wurde als Kind einer jüdischen Familie im damals polnischen Stanislawow geboren. Ihr Vater war von Beruf Arzt und arbeitete in einem Sanatorium. Die Mutter, die eigentlich Anwältin war, widmete sich der Erziehung ihrer einzigen Tochter. Nach Kriegsbeginn floh die Familie vor den herannahenden Deutschen nach Lemberg und dann weiter nach Sambor. Doch die Deutschen holten sie hier 1941 ein. Die Familie musste sich als jüdisch kennzeichnen, einen Stern tragen und in ein Ghetto umsiedeln. Bei der Verladung zur Deportation gelang es dem Vater einen Soldaten zu bestechen. Die Familie konnte sich so vor der Deportation retten und in einem Versteck verschwinden. Die Gestapo spürte sie jedoch kurze Zeit später dort auf und wollte die Familie ins Gefängnis bringen. Doch dazu kam es nicht: Henriette wurde vorausgeschickt und musste mit ansehen, wie ihre Eltern auf offener Straße erschossen wurden. Sie floh vor der Gestapo und fand in einem Kloster Unterschlupf. Nach dem Krieg fand sie wie durch ein Wunder ihren Onkel wieder, der als Einziger der Familie den NS-Terror überlebte. Die beiden gingen gemeinsam nach Antwerpen, dort studierte Henriette Kunstgeschichte. Sie ging für 13 Jahre nach Israel und heiratete dort. Heute lebt sie wieder in Antwerpen und ist Mitglied eines polnischen Vereins, der sich um Menschen kümmert, die den NS-Terror als Kinder meist in Verstecken überlebt haben.

Frau Kretz und Frau Witaszek haben uns ihre Lebensgeschichte berichtet und anschließend unsere Fragen beantwortet. Dank ihrer Erzählungen ist für uns die Geschichte lebendig geworden. Wir bedanken uns beim Maximilian-Kolbe-Werk und den beiden Damen für die informativen und interessanten zwei Stunden, die uns alle sehr berührt haben.

Sara A., Klasse 9a

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