Compassion unter neuer Leitung

Im Schuljahr 19/20 hat Frau Felis die Leitung des Compassion-Projekts der 10. Klassen übernommen. Mit diesem Projekt unterbrechen die Schülerinnen für zwei Wochen den Schulalltag, um sich in sozialen Einrichtungen zu engagieren. „Compassion“ bedeutet zum einen „Mitleiden“, das heißt, es bezeichnet die Fähigkeit, das Leid zu teilen, Verantwortung für Mitmenschen zu übernehmen, soziales Engagement zu zeigen, zu helfen und zu unterstützen. „Compassion“ kann man aber auch mit „Mitfühlen“ übersetzen, was also die Eigenschaft meint, sich in andere hineinversetzen und ihren Blickwinkel einnehmen zu können.

Frau Felis beantwortet Fragen von Schülerinnen der 10. Klassen:

 

Was hat Sie motiviert, diese Aufgabe zu übernehmen?

Der Grundstein der Motivation ist schon circa 20 Jahre alt. Denn als ich selbst Schülerin in der zehnten Klasse war, wurde mir im Rahmen eines Radiointerviews zusammen mit einer Klassenkameradin schon einmal eine ähnliche Frage gestellt. Meine Schule war damals eine der ersten Schulen, die das Profilfach „Diakonie – Soziales Lernen“ eingeführt hatten, so etwas wie das evangelische Pendant zum Compassion-Projekt. Ich wurde damals gefragt, warum ich mich dafür entschieden habe, ein Fach zu belegen, für das ich in meiner Freizeit Praktika in sozialen Einrichtungen belegen müsse. An meine genaue Antwort kann ich mich nicht mehr erinnern, aber sie überschneidet sich sicher mit meiner heutigen Antwort auf eure Frage:

Das Compassion-Projekt bietet Bildung in seiner persönlichsten Form: Schülerinnen können sich selbst ein Bild machen von Umständen und Zuständen, von denen sie sonst nur aus zweiter oder dritter Hand erfahren. Gerade in Zeiten, in denen Meinungsmache und Hetze wieder salonfähig werden, halte ich diese Einblicke für wichtiger denn je.

Das Compassion-Projekt eröffnet einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Das ist zunächst einmal auch eine große Herausforderung und macht vielleicht Angst. Wie gehe ich mit Menschen um, die ganz anders agieren und reagieren als Menschen, die mir in meinem Umfeld begegnen? Das Verlassen des Bekannten überfordert. Aber meine Erfahrung – als Schülerin und Lehrerin – ist, dass diese Überforderung sehr schnell nachlässt und man sie als Herausforderung erkennt, an der man wächst. Ebenso groß wie das Lernen über das vielfältige Leben in unserer Gesellschaft ist daher das Lernen über sich selbst, das Compassion ermöglicht.

Das Compassion-Projekt macht das praktisch nachvollziehbar, für was wir als christliche Schule stehen: das Leben christlicher Nächstenliebe, die Wert nicht an Leistung bemisst, die Hinwendung zu Menschen am Rande der Gesellschaft.

Ich halte das Compassion-Praktikum daher für eine absolute Bereicherung für jede einzelne Schülerin, denn es ermöglicht Erfahrungen, die das ganze Leben prägen können - wie es auch bei mir der Fall ist. Daher freue ich mich sehr, jetzt dieses Projekt betreuen zu dürfen.

 

Welche Stellen werden angeboten?

Über die Jahre hat meine Vorgängerin Frau Wawroschek den Kontakt zu diversen sozialen Einrichtungen aufgebaut und erhalten. Über diese Kontakte können wir jedes Jahr Praktikumsplätze in Einrichtungen anbieten, in denen alte Menschen betreut werden, sowie Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung betreut werden. Die Praktikumsplätze in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen finden in Einrichtungen statt, die in Gegenden mit sogenanntem sozialen Brennpunkt liegen oder spezifisch Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten betreuen. Auch Anlaufstellen für obdachlose Menschen finden sich in unserem Stellenpool.

Darüber hinaus organisieren sich Schülerinnen jedes Jahr auch eigene Praktikumsstellen. Wichtig ist uns dabei, dass die Schülerinnen bei ihrem Praktikum mit Menschen und Menschengruppen in Kontakt kommen, mit denen sie normalerweise nicht interagieren, da sie am Rande der Gesellschaft stehen.

 

Wie wird das Projekt organisiert?

Zu Beginn des Schuljahres werden Schülerinnen und Eltern über Inhalt, Ablauf und Zeitrahmen des Compassion-Projektes informiert. Gleichzeitig frage ich bei Einrichtungen, mit denen Schülerinnen der vergangenen Jahre gute Erfahrungen gemacht haben, an, ob sie in diesem Schuljahr wieder Praktikumsplätze zur Verfügung stellen können. Einige Schülerinnen bewerben sich bei weiteren Einrichtungen, die sie interessieren.

Wenn ich die Rückmeldungen der Einrichtungen erhalten habe, können sich die Schülerinnen auf der Liste der Einrichtungen mehrere Stellen aussuchen, bei denen sie gerne ihr Praktikum absolvieren möchten. Mit den Kolleginnen und Kollegen, die das Projekt in den Klassen auswerten, verteile ich die Stellen, wobei wir uns sehr bemühen, die Präferenzen der Schülerinnen soweit wie möglich zu berücksichtigen.

Wenn die Schülerinnen wissen, in welcher Einrichtung sie ihr Compassion-Praktikum verbringen werden, melden sie sich persönlich dort.

Das Praktikum selbst umfasst zwei Wochen, in der Regel im April oder Mai. Am letzten Tag des Praktikums findet ein Auswertungstag im Klassenverband mit der betreuenden Lehrerkraft statt, an welchem die Schülerinnen sich über ihre Erfahrungen austauschen und ihre Erlebnisse reflektieren können.

Schriftlich findet diese Reflexion auch noch in Form eines Berichts statt.

 

Macht Ihnen die Arbeit im Compassion-Projekt Freude?

Ich denke, die Länge meiner Antworten macht das ziemlich deutlich.

 

Wie begleiten Sie die Schülerinnen, die sich in den beiden Wochen des Projekts intensiv sozial engagieren?

Die Kolleginnen und Kollegen, die die Auswertung begleiten, und ich sind vor und auch während der Zeit des Praktikums AnsprechpartnerIn bei Fragen und Problemen. Außerdem erhalten die Schülerinnen im Laufe des Praktikums in der Einrichtung vor Ort einmal Besuch von einer ihrer Lehrerkräfte, mit der sie sich ebenfalls über ihre Erfahrungen austauschen können.

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